Samstag, 15. Dezember 2018

Silvester naht...

Silvester naht... alle Jahre wieder!
Das Wichtigste gleich vorweg - lasse Deinen Hund in der Silvesternacht niemals alleine. Es gibt so viele unterschiedliche Böller, Geräusche, Lichtblitze und Raketen, die unkontrolliert durch die Gegend fliegen, so dass selbst der coolste Hunde Angst bekommen kann. Eine Bezugsperson (Familie, bekannter Hundesitter), die Schutz vermitteln kann, verhindert daraus evt. entstehende Folgen.
Da wo sich der Hund am wohlsten fühlt sollte er unbedingt bleiben dürfen. Dies kann das Badezimmer sein, der Keller, eine Höhle, unter der Bettdecke im Bett oder auf dem Sofa oder / und die Nähe seines Menschen. Außerdem kann das Herunterlassen der Jalousien, sobald es dunkel wird, sowie das Anstellen von Musik oder des Fernsehers die Knallereigeräusche abdämpfen (allerdings gibt es auch hier Hunde, denen es hilft, das Feuerwerk aus sicherer Entfernung zu beobachten). Ansonsten sollte man sich so normal wie möglich benehmen und mit dem weitermachen was gerade ansteht: liege ich im Bett, drehe ich mich um und schlafe weiter, gucke ich Fernsehen, lese ein Buch oder bin in einer Unterhaltung, so bleibe ich dabei.
Bild: Heinz Grundel - Das Jahr des Straßenhundes
Jedoch: Bitte niemals den Hund ignorieren!
Sondern ihn liebevoll mit einbeziehen, ihm Optionen anbieten aber nicht aufdrängen und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Ruhe lässt sich nicht erzwingen, aber beruhigen!

Denn Angst gehört zu den Emotionen, die vom Urvater des Gehirns gesteuert werden – dem Stammhirn. Daher macht jede Art des Trainings in der Silvesternacht gar keinen Sinn, da wir zum bewussten Lernen auf einen anderen Teil des Gehirns zurückgreifen müssen, dem Neocortex. Das Stammhirn kann willentlich nicht beeinflusst werden, daher ist die beste Möglichkeit, wenn Denkprozesse vorübergehend nicht erreichbar sind, die Spiegelneuronen zu benutzen. Auch Co-Regulation genannt. Denn Nervensysteme vernetzen sich automatisch. Das heißt, je ruhiger und gelassener die Bezugsperson ist und / oder ein anderer Hund, umso mehr kann ich den ängstlichen Hund unterstützen. (Bitte nur aufpassen, dass der andere Hund sehr stabil ist, nicht dass die Angst die Oberhand gewinnt).

Soziale Unterstützung ist auch insofern nützlich, da es zur Ausschüttung von Oxytocin (dem Kuschelhormon) kommen kann, was sich wiederum positiv auf den Stresslevel auswirkt. Dies kann durch Körperkontakt, Berührungen, einer ruhigen Stimme, aber sogar auch nur durch liebevollen Blickkontakt ausgelöst werden, aber nur, wenn das Nervensystem noch im Kommunikationsmodus ist. Daher bitte unbedingt auf die individuelle Befindlichkeit des jeweiligen Hundes achten, denn manche empfinden Streicheln in aufregenden Situationen eher als unangenehm.

Es gibt unterschiedliche Gründe, warum ein Hund Angst vor Böllern, Schüssen, Lichtblitzen usw. hat. Erlerntes Verhalten, schlechte Erfahrungen, negative Verknüpfungen uvm. Ein weiterer wichtiger Punkt können jedoch auch chronische Schmerzen und Schmerzgedächtnis sein. Schmerzen gehen einem sprichwörtlich auf die Nerven, und die Geräuschempfindlichkeit steigt. In diesem Fall hätte man mit gutem Schmerzmanagement im Voraus wesentlich mehr Erfolg als mit jeglichen Tipps zur Silvesternacht.

Safety first…
Solange ich nicht wirklich weiß, wie mein Hund auf Feuerwerk & Co reagiert, sollte ein Hund unbedingt angeleint sein, ab dem Moment wo der Verkauf von Feuerwerkskörpern erlaubt ist. Selbst wenn ich mit dem Hund weit in die Natur fahre, um der Böllerei zu entgehen, Raketen sind besonders für Hunde auch in großer Entfernung zu hören. Je nach Hund helfen auch Sicherheitsgeschirre und / oder doppelte Sicherung über Geschirr und Halsband.
Hunde, die panisch reagieren, sollte man, wenn möglich nur in den Garten lassen oder man bleibt in der Nähe des Hauses oder Autos, so dass sie jederzeit die Möglichkeit haben, sich in Sicherheit zu begeben. Ein Hund der panisch reagiert ist im Überlebensmodus und braucht an dem Tag keine weitere Auslastung.
Da es jedes Jahr doch immer wieder passiert, dass ein Hund panisch davon stürmt, sollte man rechtzeitig Vorsorge treffen. Durch den Registrationschip und der kostenlosen Registrierung bei dem Haustierservice TASSO e.V. / tasso.net kann ein Hund schnellstmöglich identifiziert und zurückgebracht werden.
Wenn Spiele im Zuhause möglich sind, umso besser. Ansonsten Musik im Haus oder Auto anlassen, um die Geräusche etwas abzuschwächen, auch Singen kann helfen, um wenigstens Zeit für das große und kleine Geschäft zu schinden.
Von Muskel relaxierenden Medikamenten wie Acepromazin (eher bekannt unter den Namen Vetranquil, Sedalin, Calmivet) ist unbedingt abzuraten, da die Angst und das Geräuschempfinden bleibt, der Hund aber aufgrund des Medikamentes nur keine erkennbaren Körperreaktionen mehr zeigen kann, wie z.B. Zittern oder Umherlaufen. Zudem kann es aufgrund der Muskelrelaxation zu unkontrollierter Entleerung von Blase und Darm kommen. Ein wahrer Alptraum.
Cds zum Sensibilisieren funktionieren, wenn überhaupt, nur über einen längeren Zeitraum. Die Cd simuliert lediglich die Geräuschkulisse, jedoch nicht die Spannungen und Vibrationen, die in der Silvesternacht in der Luft liegen. Das Wichtigste bei der Cd ist jedoch trotzdem, dass die Dosierung vorsichtig erfolgt. Der Hund darf keine Angst bekommen durch die Geräusche, so dass man Tag für Tag die Lautstärke hoch regeln kann. Sollte ein Hund bei der CD nicht entspannt bleiben können, ist es unserer Meinung nach ratsam, lieber auf den Dauerstress aufgrund der CD zu verzichten, und das Nervensystem lieber bis zur Nacht der Nächte zu stabilisieren.
Körpertherapien wie Massagen, Wärmebehandlungen, Tellington Touch können sehr unterstützend sein. Zum einen sollten diese Anwendungen mit Entspannung und sozialer Zuwendung positiv verknüpft sein und zum anderen mit Sicherheit, Ruhe und einem guten Körpergefühl. Zu einem guten Körpergefühl verhelfen auch Übungen aus der Hundephysiotherapie. Hierbei ist man erfreulicherweise nicht auf die Geräte in einer Praxis angewiesen, da sich Baumstämme, Bürgersteige, Treppen, Slalom“stangen“, verschiedene Untergründe überall finden lassen.
Therapieformen, die sich außerdem als sehr nützlich erwiesen haben, die aber nur von erfahrenen, geübten Hundephysiotherapeuten, -osteopathen und / oder Tierheilpraktikern ausgeübt werden sollten, sind Akupunktur oder die Laserbehandlung. Diese kann sich positiv auf die Psyche auswirken und für Entspannung sorgen. Während bei der Akupunktur bestimmte Punkte mit Nadeln stimuliert werden, bietet der Laser die nadellose Alternative. Dazu gibt es im Laserbereich sogar Frequenzen, die gezielt auf die Psyche einwirken können.
Das Thundershirt oder Körperbandagen sind mit Sicherheit auch ein Versuch wert. Dieses Thundershirt, was einem Hund angezogen wird ist nicht einfach nur ein enges T-Shirt, sondern ein enganliegender Body der aufgrund nervaler Reizungen eine beruhigende Wirkung auf den Hund haben kann, die sogar wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte. Es ist ähnlich dem „Puken“ im Humanbereich, dass bei Säuglingen und traumatisierten Menschen große Anwendung findet. Es mag aber auch Lebewesen geben, denen diese Enge Angst macht. Da sich der Hund dem Shirt nicht entziehen kann, bitte einen Hund während der ersten Zeit nicht mit dem Shirt alleine lassen. Die Körperbandagen werden unterschiedlich um den Körper gewickelt und haben einen ähnlichen Effekt. Durch die Verbesserung des Körperempfindens und der Eigenwahrnehmung des Körpers können Hunde sprichwörtlich wieder schneller zu sich kommen.
Einigen Hunden kann mit Bachblüten oder Kräutermischungen geholfen werden, die Silvesternacht besser zu überstehen. Dazu sollte man sich rechtzeitig von professioneller Hilfe beraten lassen, so dass die Dosierung ausprobiert und bei Bedarf entsprechend angepasst werden kann.
Auch die Ernährung kann eine wichtige Rolle bei Angst spielen. Tryptophanhaltige Lebensmittel können sich unterstützend auswirken und ebenso ein moderater Proteingehalt (höchstens 20%). Eine Futterumstellung an den letzten Tagen des Jahres wird in der Regel keinen allzu großen Einfluss in der Silvesternacht haben. Sie sollte daher frühzeitig mit einbezogen werden. Hierzu gibt es mittlerweile einige sehr gute Hundeernährungsberater, die die Ernährung genau auf die Bedürfnisse und Befindlichkeiten des Hundes abstimmen.
Sollte der Hund aufgrund des Stresses noch zum Kauen in der Lage sein, so kann man auf Kauartikel und Kauspielsachen zurückgreifen. Dies dient nicht nur der Beschäftigung des Hundes, sondern es fördert bei vielen Hunden auch den Stressabbau. (Für BARFER bieten sich gute knorpelige Sachen an, aber auch gefüllte Kongs erfüllen eine Weile den Kauspaß).
Zudem gibt es mittlerweile auch einige Hilfsgeräte, die zwar auch erst in entspannten Situationen aufgebaut / konditioniert werden sollten, aber relativ schnell Wirkung zeigen. Hierzu zählen der DAP (Dog Appeasing Pheromone) Stecker oder Adaptil-Stecker. Beide werden nur in die Steckdose gesteckt und versprühen einen für uns Menschen neutralen Duft, der aber auf Hunde eine beruhigende Wirkung haben kann. Oder Relaxodog, ein Gerät, dass Musik und Ultraschallwellen aussendet, um auf Hunde beruhigend einzuwirken. Hierzu sind uns keine negativen Wirkungen bekannt, jedoch viele positive oder keine. Der Vorteil dieser Hilfsmittel ist, dass ein Hund sich jederzeit entziehen oder auch deren Nähe aufzusuchen kann.
Alles was wirkt kann so oder so wirken, daher niemals Versuche in kritischen Situationen ausprobieren. Das schönste Geschenk ist nichts wert, wenn ich es mit unangenehmen Situationen verbinde.
Text: Kat Mei von Tippe Tappe Pfötchen Hundetagesstätte, Pension und Hundephysiotherapie; Elena Wende - Tierverhaltenstherapeutin + Hundeernährungsberaterin bei MenschHund Natur - Elena Wende und Stephanie Küster Hundetraining + Hundephysiotherapie von Schöne Aussichten für Hunde

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